Was ist New Work?
Der digitale Wandel ist in vollem Gange. Er betrifft Unternehmen aller Branchen. Neue Geschäftsmodelle entstehen: Autos werden per App geteilt, Sprachen werden online gelernt und Musik wird gestreamt. Aber auch die Industrie wandelt sich: 3D-Drucker stellen Maschinenteile her, Roboter bauen diese zusammen, und ganze Fabriken sind intelligent miteinander vernetzt. Die technologischen Entwicklungen schreiten rasant voran und verändern die Art, wie wir uns informieren, wie wir kommunizieren, wie wir konsumieren – kurz: wie wir leben. Im digitalen Zeitalter könnten klassisch hierarchisch organisierte Arbeitsformen aber bald ausgedient haben. New Work hat sich hier zu einem neuen Trend entwickelt. Was steckt hinter dem Buzzword?
Der Begriff New Work wurde bereits in den 80er Jahren von dem Philosophen Frithjof Bergmann geprägt. Damals beschrieb er ein alternatives Arbeitsmodell, das sich an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer statt der Arbeitgeber orientiert. Heute geht das Verständnis für NewWork aber noch einen Schritt weiter. New Work hält in unzähligen Dimensionen in Unternehmen Einzug. Diese reichen von der freien Zeiteinteilung als Freelancer, über das Home Office für alle Mitarbeiter, das vernetzte Arbeiten über Abteilungs- und Ländergrenzen hinweg, bis hin zu selbstorganisierten Innovationszellen bei Produktentwicklungen.
Herding Filtertechnik liegt New Work in den Genen
Auch in der Oberpfalz ist die neue Gestaltung des Arbeitslebens längst angekommen. Bei Herding Filtertechnik ist das Prinzip New Work ein fester Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Die Geschäftsleitung Dr. Urs Herding (CEO), Wolfgang Raabe (COO) und Fabian Schünke (CTO) zeigen, wie sich New Work in der Praxis gestalten lässt.
New Work hat unzählige Ausprägungen. Was verstehen Sie darunter?
Fabian Schünke: Hohe Relevanz hat das vernetzte Arbeiten sowie der Fokus auf Problemlösungen und weniger auf Hierarchien im Unternehmen. Es geht darum, schnell zu lernen, was eher eine experimentelle als eine planerische Haltung voraussetzt. Ich denke, das sind die Hauptfacetten für eine Organisation die nach dem Prinzip New Work handelt.
Herr Dr. Herding, welche konkreten Maßnahmen haben Sie bei der Firma Herding umgesetzt?
Dr. Urs Herding: Wenn man so will, „machen“ wir schon seit 40 Jahren New Work. Es liegt in unseren Genen. Lösungsfindung im Team steht im Vordergrund. Die Hierarchie arbeitet mit, gibt aber nicht vor. Mobiles Arbeiten oder Heimarbeitsplätze passen zum Gedanken von New Work. In der sich stark ändernden Welt, erwarten die Kunden mehr und schnellere Lösungen, die im Unternehmen gefunden werden müssen. Das kann nur im Team erreicht werden – nicht über Einzelne, die Lösungen vorgeben.
New Work umfasst viele Trends (Coworking, Gig-Working, Workplace-Wellbeing…). Welche dieser vielen Trends sind denn für klassische Mittelständler besonders bedeutsam?
Fabian Schünke: Die beste Idee ist, Trends nicht blind zu folgen. Zuerst stellen wir die Frage, welches Problem es zu lösen gilt. Wenn ein neues Werkzeug, eine neue Idee oder ein Trend aussichtsreich erscheint, sollte man das schnell ausprobieren.
Man sollte aber auf keinen Fall
flächendeckend Scrum einführen,
weil es sich gut auf LinkedIn macht.
Sie verwenden New Work-Elemente schon sehr lange im Unternehmen. Was hat sich dadurch bei den Mitarbeitern und für das Unternehmen verändert?
Wolfgang Raabe: Wir rechnen mit der Oberpfälzer Mentalität. Die Leute sind bodenständig und fügen sich gerne zusammen. Wir fördern und unterstützen das seit Jahren. Es sind zum Teil sehr profane Ideen. Wir unternehmen gemeinsam Sachen. Es gibt den bezahlten Wandertag und andere gesellige Aktivitäten. Das wird in den Abteilungen gefördert und hat den Effekt, dass die Mitarbeiter auch in der Freizeit über Problemlösungen reden. Das ist bei uns so gewachsen. New Work hat das Ziel, dass sich die Mitarbeiter beim Problemlösen wohlfühlen.
Wenn Mitarbeiter sich in Ihrer Freizeit mit Problemlösung beschäftigen, verschwimmen dann nicht zusehends die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben? Kann das zur Belastung werden?
Wolfgang Raabe: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiter das klar abgrenzen können. Wenn sie mit Kollegen über die Lösung eines Problems sprechen und das, vielleicht auch in einem anderen Rahmen als am Arbeitsplatz, führt das auch dazu, dass Mitarbeiter zu völlig neuen Ideen kommen. Solange der Spaßfaktor dabei ist, sehe ich das nicht als Problem. Die Mitarbeiter können frei entscheiden und jederzeit sagen, „so das war’s jetzt und jetzt spielen wir wieder Karten“.
Was sind die Herausforderung und Risiken, die durch die Einführung von „New Work“ entstehen?
Wolfgang Raabe: Eine Herausforderung besteht aus dem Zurückhalten aller, die in der Hierarchie weiter oben stehen – nicht einzugreifen, wenn man selber etwas anders gemacht hätte. Wenn man eingreift, ist es vorbei mit Freiraum und den eigenständigen Entscheidungen.
Wenn das gesetzte Ziel erreicht wird,
ist es ist völlig in Ordnung, wenn der Weg,
den die Mitarbeiter beschreiten,
deutlich anders aussieht, als der Weg,
den man selbst gewählt hätte.
Dr. Urs Herding: Ich denke, die Herausforderung besteht darin, dass man bei einem wachsenden Unternehmen, die gewachsene Unternehmenskultur aufrechterhält. Gerade bei diesem Ansatz, dass die Führung nicht die Vorgabe gibt. Es kommen ja immer neue Menschen zu uns ins Unternehmen.
Mit den Strukturen bei Herding steigt die Motivation der Mitarbeiter sich mit ihrer Arbeit auseinanderzusetzten. Da kein Zwang dahintersteht, läuft der Mitarbeiter einfach weiter, als er muss?
Dr. Urs Herding: Auch das wäre ja wieder ein Musterbeispiel von Command and Control. Wenn man jemandem sagt, er muss in der Freizeit bis zehn Uhr abends sein Handy bedienen, dann hat das ja nichts mit dem Thema Freiwilligkeit zu tun. Wenn sich jemand freiwillig über Arbeitsinhalte austauscht, dann ist das Thema Belastung auch nicht so relevant. Ein Unternehmen ist erfolgreich, wenn es die Erwartungen von Kunden erfüllt. Gerät dies in Vergessenheit, sind Mitarbeiter dank New Work zwar glücklich, für das Unternehmen sind die Konsequenzen allerdings wenig erfreulich. Was sagen sie zu dieser These?
Fabian Schünke: Wir sind ein Industrieunternehmen. Unser originärer Zweck ist es, Filteranlagen für Kunden zu bauen und dafür eine Rechnung stellen zu können. Das steht an erster Stelle. Und wenn wir das gut und zugeschnitten für unseren Markt, gemeinsam hinbekommen, werden wir glückliche Mitarbeiter, glückliche Kunden und ein erfolgreiches Unternehmen haben. Dabei ist uns die Reihenfolge extrem wichtig. Am Ende müssen wir Geld verdienen um in Zukunft investieren zu können.
Empfehlen Sie anderen Unternehmen New Work einzuführen?
Fabian Schünke: Unseren Wettbewerbern nicht (lacht). Ansonsten würde ich die These aufstellen: Wenn man sich in einem dynamischen schnell verändernden Marktumfeld bewegt, wird man früher oder später keine Alternative haben, als sich zu anderen, als tayloristischen Organisationsformen zu bewegen.
Wir sind auch an einem Austausch
auf Augenhöhe interessiert.
Wenn sich andere Unternehmen hier im Umfeld mit diesen Themen auseinandersetzen und in den Austausch mit uns treten wollen, sodass man voneinander lernen kann, dann ist das ja auch wieder eine Idee der agilen Haltung à la New Work.